Die erste Frau, die ihn liebte, war seine Mutter: Sie nahm den jungen
Amedeo Modigliani schon mit 14 Jahren von der Schule im italienischen
Livorno, weil sie merkte, dass er eigentlich nur malen wollte. So
studierte er erst auf italienischen Akademien und zog dann weiter nach
Paris, von der Mutter mit kleinen monatlichen Schecks versorgt.
Denn Bilder verkaufte er quasi keine, er schlug sich durch, nahm jede
Art von Drogen und hatte unzählige Affären, erst in Montmartre, dann in
Montparnasse. Ludwig Meidner, der deutsche Maler der Apokalypse, nannte
ihn schon 1913 "den letzten Bohemien". Aber da fing er eigentlich erst
an: Zuerst malte er eine Portraitserie, mit der er die wichtigsten
Künstler aus dem Paris der Moderne verewigte. Und dann, 1916, als alle
anderen Männer in den Ersten Weltkrieg gezogen waren, der ihm, dem
lebenslang an schweren Lungenkrankheiten Leidenden, erspart blieb, malte
er seine Serie von etwa 30 großformatigen Akten. Ihnen verdankte er bei
seinen Zeitgenossen den Ruf als Skandalkünstler – und bis heute seinen
Ruhm. Warum gerade zwei dieser Aktgemälde, die für 150 und 170 Millionen
Dollar verkauft wurden, ihn zu dem nach Picasso und Leonardo teuersten
Künstler der Kunstgeschichte machen, das erklärt in "Augen zu", dem
Kunstpodcast von ZEIT und ZEIT Online, Dirk Boll, der Präsident von
Christie's in London.
Alle vier Wochen vertiefen sich in "Augen zu" Florian Illies und
Giovanni di Lorenzo in das Leben und das Werk eines besonderen Künstlers
oder einer Künstlerin. Bei Amedeo Modigliani gehen sie der Frage nach,
warum er allen seinen Figuren jene blinden, fast toten Augen malte, die
in irritierendem Kontrast stehen zu den sinnlichen Körpern. Er ist damit
natürlich so etwas wie der Hausgott eines Podcasts, der den Namen "Augen
zu" trägt.
Es geht in dieser neuen Folge des Podcasts auch um die Frage, warum über
all der Verführungskraft seiner Akte immer eine Schwermut liegt, eine
Art Trauer über den vergangenen Rausch. Und es wird die Frage gestellt,
wie das Werk Modiglianis, der bereits 1920 als 36-jähriger an
Tuberkulose starb, kunsthistorisch einzuordnen. Es ist ihm auf
einzigartige Weise gelungen, sowohl in der Skulptur als auch in der
Malerei alle dargestellten Menschen in Geschöpfe seines eigenen
künstlerischen Kosmos zu verwandeln: überlange, verdrehte Gliedmaßen,
archaische Gesichtszüge, mandelförmige Augen. Und doch bleibt jeder
Portraitierte auf faszinierende Weise er selbst. Diese schwebende
Ambivalenz ist wohl Modiglianis größte künstlerische Leistung. Oder ist
diese Unfähigkeit zur Abwechslung auch seine größte Schwäche? Florian
Illies und Giovanni di Lorenzo sind sich da nicht ganz einig.
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