Kein Künstler steht so sehr für das andere Amerika, für das
Melancholische, das Abwartende, das Insichgekehrte wie Edward Hopper.
Fast fünfzig Jahre lang lebte und malte er in demselben kleinen Atelier
am Washington Square in New York und schuf dort zwischen den
Zwanzigerjahren und seinem Tod im Jahre 1967 ein eindrückliches Werk
voll erzählerischer Kraft.
Seine "Nighthawks", also die verlorenen Figuren in einer nächtlichen
Bar, sind zu einem der zentralen Bildsymbole des 20. Jahrhunderts
geworden – dieser Zustand des ziellosen "Warten auf Godot", diese
Figuren in Hotelzimmern, an Tankstellen und diese Häuser, die in der
Landschaft stehen wie bestellt und nicht abgeholt – immer wieder
thematisiert Edward Hopper in seinen kleinen Gemälden die Verlorenheit
des modernen Menschen in der von Menschenhand gestalteten Umgebung
(https://www.artic.edu/artworks/111628/nighthawks). In der neuesten
Folge von "Augen zu", dem Kunstpodcast von ZEIT und ZEIT ONLINE
diskutieren Florian Illies und Giovanni di Lorenzo über die
Besonderheiten dieses Künstlers, über seine Stärken, seine Einflüsse –
und seine Schwächen.
Hopper war ein besessener Kinogänger – und seine Gemälde selbst sehen
darum oft auch aus wie die film stills aus nie gedrehten Filmen.
Umgekehrt hat sein cineastischer Blick auf die Wirklichkeit, sein
Aushöhlen der Häuser zu Kulissen eine magische Wirkung auf
Filmregisseure gehabt – von Alfred Hitchcock über Roman Polanski bis Wim
Wenders ließen sich die Größten ihres Faches immer wieder von diesem
kauzigen, amerikanischen Maler und seinen Bildkompositionen inspirieren.
Worin liegt der eigentümliche Reiz seiner Kunst? Warum sehen seine
Menschen nie wie Menschen, sondern immer wie Stereotypen aus? Warum malt
er die Häuserfassaden genauer und zärtlicher als die menschlichen
Gesichtszüge? Und ist es eigentlich wirklich große Malerei, die Edward
Hopper geschaffen hat? Florian Illies und Giovanni di Lorenzo
diskutieren diese Fragen sehr lebhaft und kommen zu ganz
unterschiedlichen Antworten.
Der Podcast beleuchtet auch die seltsame Ehe von Edward Hopper und
seiner Frau Josephine Nivison, die selbst eigentlich eine
vielversprechende Malerin war, aber von Hopper künstlerisch zum
Verstummen gebracht und zum weiblichen Modell all seiner Gemälde
degradiert wurde.
Die größte Anziehungskraft von Hoppers zeitlosen Gemälden geht von dem
Zwischenzustand aus, in dem er die Menschen einfängt. Lisa Zeitz, die
Chefredakteurin der Zeitschrift "Weltkunst", ist als Telefonjokerin
zugeschaltet und beschreibt sehr genau, wie Hopper seine Figuren immer
in jenem Moment zu erfassen scheint, der nach oder vor einer Aktion
liegt, wodurch der Betrachter zum Komplizen einer Ungewissheit wird.
Im Kunstpodcast "Augen zu" entführen alle 14 Tage Florian Illies,
Kunsthistoriker und Herausgeber der ZEIT, und Giovanni di Lorenzo,
Chefredakteur der ZEIT, ihre Zuhörerinnen und Zuhörer in die wunderbare
Welt der Kunst. Jede Folge widmet sich einem Künstler oder einer
Künstlerin – ihren kühnsten biografischen Wendungen und ihren
wichtigsten Bildern. Und am Ende hat jeder – auch mit geschlossenen
Augen – den Kopf voller Bilder.
Mit Fragen oder Anregungen zum Podcast erreichen Sie die Moderatoren
unter augenzu@zeit.de
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