Grundeinkommen - Red'n ma drüber!

Paul Ettl, Roswitha Minardi

Paul Ettl und Roswitha Minardi vom Verein “Das Grundeinkommen” sprechen wöchentlich über die Idee eines Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) . read less
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#12: Erich Fromms Überlegungen zum "Einkommen für alle"
27-03-2024
#12: Erich Fromms Überlegungen zum "Einkommen für alle"
Schon in den 1960er Jahren hat sich Erich Fromm mit dem Thema Grundeinkommen beschäftigt. Sowohl in seinen Werken "Haben oder Sein" oder "Anatomie der menschlichen Destruktivität" , speziell aber in seiner 1966 erschienenen Publikation "Psychologische Aspekte zur Frage eines garantierten Einkommens für alle"Dr. Franu Lichtenberger hat diese Werke schon vor 50 Jahren gelesen. Im Interview mit Paul Ettl berichtet er davon und liest dann die Publikation von Erich Fromm. Dieser Beitrag befasst sich ausschließlich mit den psychologischen Aspekten eines garantierten Einkommens, mit dessen Wert, seinen Risiken und mit den menschlichen Problemen, die dabei entstehen können.Für ein garantiertes Einkommen für alle spricht in erster Linie, dass die Freiheit des einzelnen auf diese Weise entschieden erweitert werden könnte. (Vgl. hierzu auch meine Ausführungen zu einem garantierten Existenzminimum in The Sane Society,1955a, GA IV, S. 234-236.) Bisher war der Mensch während seiner gesamten Geschichte durch zwei Faktoren in seiner Handlungsfreiheit eingeschränkt: durch die Anwendung von Gewalt von Seiten der Herrschenden (besonders dadurch, dass diese in der Lage waren, Abweichler umzubringen) und - was noch wesentlicher war - dadurch, dass alle vom Hungertod bedroht waren, die nicht bereit waren, die ihnen auferlegten Bedingungen in Bezug auf ihre Arbeit und ihre soziale Existenz zu akzeptieren.Jeder, der nicht bereit war, diese Bedingungen anzunehmen, sah sich der Gefahr, verhungern zu müssen, ausgesetzt, und zwar sogar dann, wenn keine anderen Gewaltmaßnahmen gegen ihn angewandt wurden. Das während des größten Teils der vergangenen und der gegenwärtigen Menschheitsgeschichte vorherrschende Prinzip lautet (im Kapitalismus genau wie in der Sowjetunion): „Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen.“ Diese Drohung zwang den Menschen, nicht nur so zu handeln, wie von ihm verlangt wurde, sondern auch so zu denken und zu fühlen, dass er nicht einmal in Versuchung geriet, sich anders zu verhalten.Dass die Geschichte auf dem Prinzip der Angst beruht, verhungern zu müssen, hat seine Ursache letzten Endes darin, dass der Mensch - von bestimmten primitiven Gesellschaften abgesehen - auf einem wirtschaftlich wie psychologisch niedrigen Existenzniveau lebte. Es waren niemals ausreichend materielle Güter vorhanden, mit denen man die Bedürfnisse aller hätte befriedigen können. Gewöhnlich war es so, dass eine kleine Führungsschicht alles an sich nahm, was ihr Herz begehrte, und dass man den vielen, die sich nicht an einen gedeckten Tisch setzen konnten, sagte, es sei Gottes Wille oder das Gesetz der Natur. Hierzu ist allerdings zu bemerken, dass das Ausschlaggebende dabei nicht die Habgier der „Regierenden“, sondern das niedrige Niveau der materiellen Produktivität war.Ein garantiertes Einkommen, das im Zeitalter des wirtschaftlichen Überflusses möglich wird, könnte zum ersten Mal den Menschen von der Drohung des Hungertods befreien und ihn auf diese Weise von wirtschaftlicher Bedrohung wahrhaft frei und unabhängig machen. Niemand müsste sich mehr nur deshalb auf bestimmte Arbeitsbedingungen einlassen, weil er sonst befürchten müsste, er würde verhungern. Begabte oder ehrgeizige Männer und Frauen könnten die Ausbildung wechseln, um sich damit auf einen anderen Beruf vorzubereiten; eine Frau könnte ihren Ehemann, ein Jugendlicher seine Familie verlassen. Die Menschen hätten keine Angst mehr, wenn sie den Hunger nicht mehr zu befürchten brauchten. (Dies trifft natürlich nur dann zu, wenn keine politischen Drohungen den Menschen am freien Denken, Reden und Handeln hindern.)Das garantierte Einkommen würde nicht nur aus dem Schlagwort „Freiheit“ eine Realität machen, es würde auch ein tief in der religiösen und humanistischen Tradition des Westens verwurzeltes Prinzip bestätigen, dass der Mensch unter allen Umständen das Recht hat zu leben. Dieses Recht auf Leben, Nahrung und Unterkunft, auf medizinische Versorgung, Bildung usw. ist ein dem Menschen angeborenes Recht, das unter keinen Umständen eingeschränkt werden darf, nicht einmal im Hinblick darauf, ob der Betreffende für die Gesellschaft „von Nutzen ist“.Der Übergang von einer Psychologie des Mangels zu einer des Überflusses bedeutet einen der wichtigsten Schritte in der menschlichen Entwicklung. Eine Psychologie des Mangels erzeugt Angst, Neid und Egoismus (was man auf der ganzen Welt am intensivsten in Bauernkulturen beobachten kann). Eine Psychologie des Überflusses erzeugt Initiative, Glauben an das Leben und Solidarität. Tatsache ist jedoch, dass die meisten Menschen psychologisch immer noch in den ökonomischen Bedingungen des Mangels befangen sind, während die industrialisierte Welt im Begriff ist, in ein neues Zeitalter des ökonomischen Überflusses einzutreten. Aber wegen dieser psychologischen „Phasenverschiebung“ sind viele Menschen nicht einmal imstande, neue Ideen wie die eines garantierten Einkommens zu begreifen, denn traditionelle Ideen werden gewöhnlich von Gefühlen bestimmt, die ihren Ursprung in früheren Gesellschaftsformen haben.Eine weitere Auswirkung des garantierten Einkommens in Verbindung mit einer wesentlich verkürzten Arbeitszeit für alle wäre sicher, dass die geistigen und religiösen Probleme des menschlichen Daseins real und bestimmend würden. Bisher war der Mensch mit seiner Arbeit zu sehr beschäftigt (oder er war nach der Arbeit zu müde), um sich ernsthaft mit den Problemen abzugeben: „Was ist der Sinn des Lebens?“, „Woran glaube ich?“, „Welche Werte vertrete ich?“, „Wer bin ich?“ usw. Wenn er nicht mehr ausschließlich von seiner Arbeit in Anspruch genommen ist, wird es ihm entweder freistehen, sich ernsthaft mit diesen Problemen auseinanderzusetzen, oder er wird aus unmittelbarer oder kompensierter Langeweile halb verrückt werden. Prinzipiell kann der wirtschaftliche Überfluss die Befreiung von der Angst vor dem Hungertod, den Übergang von einer vormenschlichen zu einer wahrhaft menschlichen Gesellschaft kennzeichnen.Um ein ausgeglichenes Bild zu bieten, sollte man aber auch einige Einwände gegen diese Vorstellung von einem garantierten Einkommen für alle und kritische Fragen nicht außer Acht lassen. Die nächstliegende Frage lautet, ob ein garantiertes Einkommen nicht die Arbeitsmotivation beeinträchtigen würde.Ganz abgesehen davon, dass bereits heute für einen ständig wachsenden Teil unserer Bevölkerung überhaupt keine Arbeit vorhanden ist und dass daher die Frage der Arbeitsmotivation für diese Menschen nicht relevant ist, sollte man diesen Einwand trotzdem ernst nehmen. Meines Erachtens kann man zeigen, dass der materielle Anreiz keineswegs das einzige Motiv ist, um zu arbeiten und sich anzustrengen. Erstens gibt es auch noch andere Motive - wie z. B. Stolz, soziale Anerkennung, Freude an der Arbeit selbst usw. An Beispielen hierfür fehlt es nicht. Am deutlichsten sieht man es an der Arbeit des Wissenschaftlers, des Künstlers usw., deren hervorragende Leistungen nicht vom finanziellen Gewinn, sondern von verschiedenen Faktoren motiviert sind: vor allem vom Interesse an seiner Arbeit, vom Stolz auf die eigene Leistung und dem Streben nach Anerkennung. Aber so augenfällig diese Beispiele auch sein mögen, so sind sie doch nicht völlig überzeugend, weil man sagen könnte, diese Ausnahmemenschen seien zu solchen außergewöhnlichen Anstrengungen eben deshalb fähig, weil sie so außergewöhnlich begabt seien, und sie seien deshalb keine typischen Beispiele für die Reaktion des Durchschnittsmenschen. Mir scheint dieser Einwand jedoch nicht stichhaltig, wenn wir uns die Antriebe zur Aktivität bei Menschen näher ansehen, welche diese Eigenschaften des außergewöhnlichen, kreativen Menschen nicht besitzen. Welche Anstrengungen werden im Bereich des Sports und vieler Hobbys aufgeboten, wo keinerlei materielle Anreize gegeben sind. In welchem Ausmaß  das Interesse am Arbeitsprozess selbst ein Antrieb zur Arbeit sein kann, hat zuerst Professor Mayo in seiner klassischen Untersuchung in den Chicagoer Hawthorne-Werken der „Western Electric Company“ nachgewiesen (E. Mayo, 1933). Allein die Tatsache, dass man ungelernte Arbeiterinnen bei dem Experiment, das ihre Arbeitsproduktivität betraf, selbst heranzog und sie durch ihre Beteiligung zu interessierten, aktiven Teilnehmern wurden, führte zu einer höheren Produktivität, ja sogar zu einem besseren Gesundheitszustand.Das Problem wird noch deutlicher, wenn wir uns ältere Gesellschaftsformen einmal genauer ansehen. Die Tüchtigkeit und Unbestechlichkeit der traditionellen preußischen Beamten war berühmt, obwohl sie sehr schlecht bezahlt wurden; in diesem Fall waren Begriffe wie Ehre, Treue und Pflichterfüllung die entscheidenden Antriebe zu guten Arbeitsleistungen. Betrachten wir vorindustrielle Gesellschaften (wie zum Beispiel die mittelalterliche europäische Gesellschaft oder die halbfeudalen Gesellschaften zu Anfang unseres Jahrhunderts in Lateinamerika), so taucht noch ein anderer Faktor auf. In diesen Gesellschaften wollte beispielsweise ein Zimmermann nur so viel verdienen, dass er sich das leisten konnte, was zu seinem traditionellen Lebensstandard gehörte. Er hätte sich geweigert, mehr zu arbeiten und zu verdienen, als er brauchte.Ein zweites Argument dafür, dass der Mensch nicht nur aus materiellem Anreiz arbeiten und sich anstrengen will, ergibt sich aus der Tatsache, dass der Mensch unter den Folgen von Untätigkeit leidet und eben gerade nicht von Natur aus träge ist. Sicher würden viele Leute gerne für ein oder zwei Monate nicht arbeiten. Die allermeisten würden aber dringend darum bitten, arbeiten zu dürfen, selbst wenn sie nichts dafür bezahlt bekämen. Erkenntnisse über die kindliche Entwicklung und über Geisteskrankheiten liefern eine Fülle Daten hierfür. Es sollte unbedingt eine systematische Untersuchung gemacht werden, bei der alle verfügbaren Daten unter dem Aspekt „Trägheit als Krankheit“ analysiert würden.Wenn nun Geld nicht der Hauptanreiz ist, müsste doch die Arbeit in ihren technischen oder gesellschaftlichen Aspekten so attraktiv und interessant sein, dass man sie eher in Kauf nehmen würde als Untätigkeit. Der moderne, entfremdete Mensch ist (meist {179} unbewusst) apathisch und sehnt sich daher mehr nach Nichtstun als nach Betätigung. Diese Sehnsucht ist jedoch ein Symptom unserer „Pathologie der Normalität“. Vermutlich würde der Missbrauch des garantierten Einkommens nach kurzer Zeit wieder verschwinden, genauso wie auch die Leute, wenn sie für Süßigkeiten nichts zu bezahlen brauchten, sich nach ein paar Wochen nicht mehr daran überfressen würden.Ein weiterer Einwand lautet: Wird es den Menschen wirklich freier machen, wenn er keine Angst vor dem Verhungern mehr zu haben braucht, wenn man bedenkt, dass Menschen mit einem guten Einkommen vermutlich genauso viel Angst haben, ihre Stelle zu verlieren, die ihnen im Jahr 15 000 Dollar einbringt, wie die, welche hungern müssten, wenn sie ihren Job verlieren würden. Wenn dieser Eindruck richtig ist, würde das garantierte Einkommen die Freiheit der Mehrheit, jedoch nicht die Freiheit der oberen Schichten vergrößern.Um diesen Einwand ganz zu begreifen, müssen wir bedenken, von welchem Geist unsere heutige Industriegesellschaft erfüllt ist. Der Mensch hat sich in einen homo consumens verwandelt. Er ist unersättlich und passiv und versucht seine innere Leere mit einem ständigen, stets wachsenden Konsum zu kompensieren. Es gibt viele klinische Beispiele für diesen Mechanismus, bei dem übermäßiges Essen, Kaufen und Trinken eine Reaktion auf Depression und Angst ist. Konsumiert werden Zigaretten, Schnaps, Sex, Filme, Reisen, Bildungsgüter wie Bücher, Vorlesungen, Kunst. Der Mensch macht den Eindruck, als sei er aktiv und höchst angeregt, in seinem tiefsten Innern ist er jedoch erfüllt von Angst, ist er einsam, deprimiert und gelangweilt. (Langeweile kann als jene Art chronischer Depression begriffen werden, die man erfolgreich mit Konsum kompensieren kann.) Die Industriegesellschaft des zwanzigsten Jahrhunderts hat diesen neuen psychologischen Typ, den homo consumens, in erster Linie aus wirtschaftlichen Gründen geschaffen, d. h. um des notwendigen Massenkonsums willen, der durch die Werbung stimuliert und manipuliert wird. Aber der einmal geschaffene Charaktertyp beeinflusst seinerseits wieder die Wirtschaft und läßt das Prinzip der ständig zunehmenden Befriedigung vernünftig und realistisch erscheinen. Das Problem wird dadurch noch komplizierter, dass mindestens zwanzig Prozent der amerikanischen Bevölkerung in unzureichenden Verhältnissen leben, dass einige Länder Europas, vor allem die sozialistischen, noch keinen befriedigenden Lebensstandard erreicht haben und dass der größte Teil der Menschheit in Lateinamerika, Afrika und Asien kaum über dem Hungerniveau existiert. Jedes Argument, das sich für einen geringeren Konsum einsetzt, wird mit dem Gegenargument beantwortet, dass in den meisten Teilen der Welt der Konsum noch gesteigert werden müsse. Dies ist richtig; doch besteht die Gefahr, dass selbst in den heute noch armen Ländern das Ideal des maximalen Konsums richtungweisend für alle Anstrengungen wird, dass es den Geist der Menschen formen und daher auch weiterhin wirksam sein wird, wenn das optimale Konsumniveau bereits erreicht ist.Mit den ökonomisch orientierten Forschungsarbeiten auf dem Gebiet des garantierten Einkommens für alle müssen auch noch andere Forschungen betrieben werden: psychologische, philosophische, religiöse und erziehungswissenschaftliche. Der große Schritt zu einem garantierten Einkommen wird meiner Meinung nach nur Erfolg haben, wenn Veränderungen in anderen Bereichen mit ihm Hand in Hand gehen. Wir dürfen nicht vergessen, dass das garantierte Einkommen nur zustande kommen kann, wenn wir aufhören, zehn Prozent unseres Gesamteinkommens für die wirtschaftlich nutzlose und gefährliche Rüstung auszugeben, wenn wir der Ausbreitung sinnloser Gewalttätigkeiten dadurch Einhalt gebieten, dass wir die unterentwickelten Länder systematisch unterstützen, und wenn wir Mittel und Wege finden, der Bevölkerungsexplosion Einhalt zu gebieten. Ohne diese Wandlungen wird kein Plan für die Zukunft gelingen, weil es keine Zukunft geben wird.
#7: Das Mincome-Experiment
21-02-2024
#7: Das Mincome-Experiment
Ein sehr interessantes Projekt zum Bedingungslosen Grundeinkommen ist das sogenannte Mincome-Experiment, das in den 70er Jahren in Kanada durchgeführt wurde. In der Stadt Dauphin im Bundesstaat Manitoba erhielten ausgewählte Haushalte 100 CAD monatlich. Der Betrag orientierte sich an der Armutsgrenze. Heute würde dieser Wert ca. 6000 USD pro Jahr entsprechen. Wenn die Bezieher:innen dazuverdienten, dann wurde das Grundeinkommen um 50 cents pro verdientem Dollar gekürzt. Zum Unterschied von herkömmlichen Sozialleistungen, die bei Zuverdienst gestrichen wurden. So sollte der Anreiz zur Erwerbsarbeit aufrecht erhalten werden. Das Experiment lief über einen Zeitraum von drei Jahren, weil nach einer Inflation mit darauf folgender Rezession in 1977 das Aufbringen der Gelder dafür erschwerte. Ursprünglich war es länger geplant gewesen.Mir fällt dabei folgendes auf: die Zahlungen wurden an Familien geleistet, also nicht individuell, wie das ja eigentlich für ein BGE vorgesehen ist. Interessant ist an Mincome, dass erstmal die ganzen wissenschaftlichen Protokolle, die von den Familien für die Forschung geführt wurden, jahrelang in Archiven verschwunden waren. Erst 2009 fand Evelyn Forget, Professorin für Wirtschaft und Gemeinschaftliche Gesundheitssysteme der Universität von Manitoba, die ganzen Protokolle wieder und begann sie zu evaluieren. Bis dahin hatte das niemand getan.Was hat sie nun herausgefunden?Das physische und psychische Wohlbefinden der Empfänger wurde positiv beeinflusst.Der Arbeitsmarkt ist nicht zusammengebrochen. Die Arbeitsleistung sank kurzfristig um ca. 6 % durch Erholung oder Fortbildung.Das garantierte Einkommen stärkte den privaten Konsum, aber auch die Anschaffung von produktiven Gütern wie Fahrzeugen oder Schreibmaschinen, mit denen sich die Bürgerinnen und Bürger auf dem Arbeitsmarkt besser behaupten konnten als zuvor.Das Geld stimulierte sowohl die Nachfrage- als auch die Angebotsseite.Die Kinder machten deutlich bessere Schulabschlüsse als zuvor.Die Krankenhausaufenthalte in Dauphin gingen um 8,5 Prozent zurück. Es gab weniger Einweisungen wegen psychischer Störungen, familiärer Gewalt und Unfällen.Also alles in allem sehr positive Ergebnisse. Trotzdem bleiben noch viele Fragen offen, z.B. wie sich ein BGE auf die Wirtschaft insgesamt auswirken wird. Dazu sind diese Experimente offenbar nicht groß genug angelegt.Da hast du ganz Recht, es bleiben noch viele Fragen offen, die andere Pilotmodelle vielleicht besser darstellen können. Wir werden im Lauf der Sendereihe daher noch über andere Experimente berichten.
#6: Grundeinkommen als Menschenrecht
14-02-2024
#6: Grundeinkommen als Menschenrecht
Wir  haben  beim letzten Mal über das Grundeinkommen und die Nachhaltigkeitsziele geredet. Da ging es offenbar darum, für welche Probleme das BGE hilfreich bei der Lösung sein könnte. Ist das BGE also ein quasi „universeller Problemlöser“?Das BGE kann – wie wir das gezeigt haben – bei der Lösung vieler Probleme behilflich sein, auch wenn es nicht alle Probleme lösen wird. Aber das BGE ist viel mehr. Meiner Meinung nach ist das BGE ein Menschenrecht!Der Artikel  1 ist ja bekannt:Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.  Auch der Artikel 2 wird oft zitiert:Niemand darf diskriminiert werden Die Menschenrechte gelten für alle Menschen gleichermaßen. Niemand darf benachteiligt und in seinen Menschenrechte eingeschränkt werden wegen seines Geschlechts, seiner Hautfarbe, Religion, seiner nationalen Zugehörigkeit, politischen Überzeugung, seines Besitzes oder anderer Unterschiede.Die Menschenrechtskonvention besteht aber aus 30 Artikeln. Und da heißt es z.B. im Artikel 22 (Recht auf soziale Sicherheit)Jeder hat als Mitglied der Gesellschaft das Recht  auf soziale Sicherheit und Anspruch darauf, (…)  in den Genuss der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte zu gelangen, die für seine Würde und die freie Entwicklung seiner Persönlichkeit unentbehrlich sindUnd im Artikel 25 (Recht auf Wohlfahrt)Jeder Mensch hat das Recht auf einen Lebensstandard, der Gesundheit und Wohl für sich selbst und die eigene Familie gewährleistet, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung und notwendige soziale Leistungen, sowie das Recht auf Sicherheit im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Invalidität oder Verwitwung, im Alter sowie bei anderweitigem Verlust der eigenen Unterhaltsmittel durch unverschuldete Umstände.Beide Artikel beginnen mit „Jeder Mensch hat das Recht“Ja, das ist ja auch die Aussage von Artikel 2, dass diese Rechte ALLEN Menschen zustehen.Diese Rechte auf soziale Sicherheit und auf Wohlfahrt gelten also auch für ALLE Menschen. Nicht nur für arbeitende oder arbeitswillige. Für alle. Punkt. Bedingungslos.Aber es gibt doch auch den Artikel 23 - Recht auf Arbeit und Schutz der Arbeiter Jeder hat das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf befriedigende Arbeitsbedingungen und auf Schutz vor Arbeitslosigkeit. Jeder hat das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Jeder hat das Recht auf einen fairen Lohn, der ein menschenwürdiges Leben ermöglicht. Wenn der Lohn dazu nicht ausreicht, muss der Staat zusätzlich dafür sorgen. Jeder Mensch hat das Recht auf Arbeit und auf faire Bezahlung der Arbeit Aber kein Mensch hat die Pflicht zur ArbeitZusammenfassend also: Jeder Mensch hat das RECHT auf Arbeit, aber die Arbeit – speziell die Erwerbsarbeit oder die Arbeitswilligkeit - kann keine Voraussetzung für soziale Sicherheit und Wohlstand sein:Abschließen möchte ich heute mit einem Zitat von Jean-Jacques Rousseau (1712 - 1778), Genfer Schriftsteller, Philosoph und Pädagoge; wichtiger Wegbereiter der Französischen Revolution. Rousseau sagt:Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern dass er nicht tun muss, was er nicht will
#4: Das "Linzer Modell" für ein Bedingungsloses Grundeinkommen
31-01-2024
#4: Das "Linzer Modell" für ein Bedingungsloses Grundeinkommen
Es gibt ja verschiedene Modelle für ein BGE: Unterschiedliche Vorstellungen von der Höhe, unterschiedliche Ideen zur Finanzierung, unterschiedliche Ideen zur Umsetzung, usw. In unserem Verein „Das Grundeinkommen“, der in Linz gegründet wurde und in Linz auch seinen Sitz hat, haben wir auch mehrmals darüber gesprochen. Im Sommer 2020 haben wir uns dann einmal zu einer Klausur getroffen und all diese Themen besprochen und in 12 Punkten festgelegtGrundlage dafür waren ja auch die Berechnungen, die Paul Ettl in den Monaten vorher gemacht und niedergeschrieben hast.Aber das „Linzer Modell“ ist nicht nur ein Berechnungs- oder Finanzierungsmodell. Die ersten 6 der 12 Punkte betreffen allgemeine Fragen:Grundeinkommen ist eine bedingungslose finanzielle Zuwendung, die jedem Mitglied der Gesellschaft in existenz­sichernder Höhe, ohne Rücksicht auf sonstige Ein­kommen, auf Arbeit oder Lebensweise, lebens­läng­lich als Rechtsanspruch zusteht.Sozialleistungen wie Gesundheitsvorsorge, kosten­lose Bildung, Schulbücher, öffent­licher Verkehr etc. bleiben erhalten. Ebenso Sonderleistungen für außergewöhnliche Belastungen (z.B. bei Behinderung). Das BGE ersetzt Familienbeihilfe (Kindergeld), Mindestsicherung, Notstandshilfe und Ausgleichspension.Die Höhe des Grundeinkommens für Erwachsene soll sich an der Armuts­gefährdungs­schwelle orientieren (80% - 100% der Armutsgefährdungsschwelle). Die jährliche Anpassung an den Richtwert ist zu garantieren. Für Kinder und Jugendliche schlagen wir ein progressiv steigendes Grundeinkommen vor, beginnend mit 30% bei der Geburt  und dann jährlich steigend um weitere  4%-Punkte pro Jahr.Zuverdienst zum Grundeinkommen verringert dieses nicht.Erhalten sollen das BGE alle, die ihren Lebensmittelpunkt legal in Österreich haben.Bisher bezahlte Arbeitslosenversicherungsbeiträge und Pensionsbeiträge sind er­worbenes Recht und müssen daher ausbezahlt werden. Nach Einführung eines BGE sollen Arbeitslosenversicherung und Pensionsversicherung freiwillig, also nicht mehr verpflichtet, sein.Vor allem der letzte Punkt ist uns wichtig, dass Arbeitslosengeld und Pensionen erworbenes Recht sind und daher durch ein BGE nicht einfach ersetzt werden können.Über die bezugsberechtigten Personen, die in Pkt. 5 erwähnt sind, haben wir ja in der 3. Folge unserer Sendereihe schon gesprochen. Und über die Höhe (also ausgerichtet an der Armutsgefährdungsschwelle) haben wir in der zweiten Folge schon gesprochen.Und die letzten 6 Punkte betreffen dann die Finanzierung:In diesen Überlegungen gehen wir von einer einfachen Tatsache aus: Wer heute nur 10.000 Euro im Jahr verdient, zahlt derzeit keine Steuer, weil Einkommen bis 11.000 Euro bisher steuerfrei waren. Seit 1. Jänner 2024 gilt das sogar bis 12.816 Euro. Wenn diese Person nun aber zu den 10.000 Euro aus Erwerbseinkommen noch 12.000 Euro Grundeinkommen bekommt, dann ist das Gesamteinkommen ja 22.000 Euro. Und damit ist diese Person natürlich steuerpflichtig.Damit würden nach der aktuellen Steuertabelle für die 22.000 Euro Gesamteinkommen schon 2.350 Euro Steuer anfallen. Das heißt einerseits, dass diese Person durch das Grundeinkommen nicht 12.000 Euro mehr im Börserl hat, aber immerhin noch 9.650 Euro mehr. 2.350 € würden also an den Staat an Steuer zurückfließen. Dem Staat kostet das Grundeinkommen für diese Person also nur 9.650 Euro.Aber wir müssen noch einen zweiten Schritt machen. Wenn man die Einkommensteuertabelle so beibehält, würden auch dem Großverdiener  6.000 € mehr im Börserl bleiben, weil er von den zusätzlichen 12.000 € 50% an Steuern zurückzahlt.Unser Vorschlag ist es, die Einkommensteuer etwas anzuheben. In der ersten Einkommensteuerstufe gehen wir von den jetzigen 20% wieder auf die 25% und in der zweiten Einkommensteuerstufe von 30% auf 35%, wie das schon bis 2019 der Fall war, die weiteren Stufen erhöhen wir auch um ca. 5%, sodass die höchste Einkommensteuerstufe jetzt nicht mehr 50% bzw. 55%, sondern 60% ist. Mit dieser Änderung kann man bewirken, dass Großverdiener nicht dazu bekommen, sondern etwas zur Finanzierung beitragen. Wer 100.000 € im Jahr verdient, würde dann nicht nur 35.700 € Steuern zahlen, sondern 52.700 €, also 17.000 € mehr. Gegenüber 12.000 €, die er als Grundeinkommen bekommt.Wie schaut das im mittleren Einkommensbereich aus?Bei einem Bruttomonatsgehalt von 3.000 € wären das mit dem Grundeinkommen (unter Berücksichtigung der höheren Lohnsteuer) immer noch 270 € im Monat mehr. Bei einem Bruttomonatsgehalt von 5.000 € würde sich das Grundeinkommen mit der erhöhten Einkommensteuer aufheben.Das würde ja auch ein bisschen zur Umverteilung beitragen.Aber selbst Großverdiener würden in diesem Modell nie mehr als 10% des Bruttoeinkommens verlieren. Damit würden sie nicht hungern müssen, hätten immer noch genug für Kleidung, Wohnung und für Reisen. Vielleicht etwas weniger Geld, das sie ihrem Finanzberater für Finanzspekulationen zur Verfügung stellen könnten.Was würde das Grundeinkommen dann dem Staat kosten, wenn so viel Geld durch die Steuer zurückfließt?Durch diese erhöhte Einkommensteuer würden dann über 60% der Kosten wieder in die Staatskasse zurückfließen. Durch die Einsparungen im Sozialbereich (also Kindergeld, Notstandshilfe und Pensionsausgleichszahlungen) wären das noch einmal 10% und durch die Kaufkrafterhöhung der einkommensschwachen Schichten würden noch einmal 10 Mrd. € an zusätzliche Mehrwertsteuer  in die Staatskasse fließen.Damit sind ja schon 80% des Grundeinkommens finanziert! Aber was ist mit den restlichen 20%?Auch dafür haben wir Vorschläge gemacht, die aber unterschiedlich politisch umsetzbar sind. So haben wir vor vier Jahren schon eine CO2-Abgabe vorgeschlagen, die es jetzt schon gibt, eine Vermögens- und Erbschaftssteuer, die jetzt diskutiert wird, eine Finanztransaktionssteuer, die eigentlich schon beschlossen, aber noch nicht umgesetzt worden ist. Und eine Reihe anderer Maßnahmen. Das würde hier aber den Rahmen sprengen.Und wo kann man das ganze genauer nachlesen?Wir haben dann im Herbst 2021 das Buch „Das Linzer Modell für ein Bedingungsloses Grundeinkommen“ herausgebracht. Das kann in jeder Buchhandlung bestellt werden. Auch als eBook. Im Internet ist das Modell zu finden unter www.linzer-modell.info
#1: Was ist ein Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) ?
10-01-2024
#1: Was ist ein Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) ?
Es gibt eine Definition eines Bedingungslosen Grundeinkommens, die international akkordiert ist, der also alle Grundeinkommensbewegungen weltweit zustimmen. Und diese lautet:Grundeinkommen ist eine bedingungslose, finanzielle Zuwendung, die jedem Mitglied der Gesellschaft in existenzsichernder Höhe, ohne Rücksicht auf sonstige Einkommen, auf Arbeit oder Lebensweise als Rechtsanspruch zusteht und eine Krankenversicherung inkludiert. Grundeinkommen istallgemein: alle BürgerInnen, alle BewohnerInnen des betreffenden Landes müssen tatsächlich in den Genuss dieser Leistung kommen; personenbezogen: jede Frau, jeder Mann, jedes Kind hat ein Recht auf Grundeinkommen. Unabhängig vom Haushaltseinkommen. Das ist ein wesentlicher Unterschied zum aktuellen Sozialsystem. Und so können Kontrollen im persönlichen Bereich vermieden werden und die Freiheit persönlicher Entscheidungen gewahrt bleiben; existenzsichernd: die zur Verfügung gestellte Summe soll ein bescheidenes, aber dem Standard der  Gesellschaft entsprechendes Leben, die Teilhabe an allem, was in dieser Gesellschaft zu einem normalen Leben gehört, ermöglichen; es muss möglich sein, ab und zu ein Kaffeehaus zu besuchen, ins Kino oder Theater zu gehen oder seinen Liebsten ein Geschenk zu machen. Ein Auto wird man sich damit nicht leisten können, auch keinen Swimmingpool und keine Fernreise.bedingungslos soll das von uns geforderte Grundeinkommen deshalb sein, weil wir in einem Grundeinkommen ein BürgerInnenrecht sehen. Es darf nicht von Bedingungen  abhängig gemacht werden kann wie Arbeitszwang Verpflichtung zu gemeinnütziger Tätigkeit oder rollenkonformes Verhalten etc.Das wirft aber viele Fragen auf! Zum Beispiel, wie hoch es sein soll, ob es auch Reiche bekommen sollen, warum man dann noch arbeiten gehen soll ……Aber genau das wollen wir in dieser Sendungsreihe besprechen.