Im Juli 1923 reist Franz Kafka in das Ostseebad Müritz, um sich an der guten Luft zu erholen. Er leidet an Tuberkulose, hat seit Monaten fortwährend Fieber. In unmittelbarer Nachbarschaft seiner Unterkunft liegt die Ferienkolonie des Berliner Jüdischen Volksheims. Kafka hat Freude am Kontakt mit den ostjüdischen Kindern, die dort betreut werden: »Wenn ich unter ihnen bin, bin ich nicht glücklich, aber vor der Schwelle des Glücks«, schreibt er an seinen Freund Hugo Bergmann.
In der Ferienkolonie arbeitet Dora Diamant (jiddisch: Dymant), die einige Jahre zuvor aus Schlesien nach Berlin gekommen ist. Als sie sich kennenlernen, ist er fasziniert – auch von ihrer Suche nach einer jüdischen Identität jenseits des ultraorthodoxen Chassidismus, der ihre Jugend geprägt hat und Frauen so viele Verbote auferlegt. Diese Sommerliebe soll sein Leben verändern: Endlich gelingt es ihm, sich von Prag loszureißen. Er folgt Dora in das inflationsgeschüttelte Berlin.
Am 17.6.2023, fast hundert Jahre nach dem Beginn dieser berührenden Liebesgeschichte, war der renommierte Kafka-Biograf Reiner Stach am Ort des Geschehens und las aus »Kafka. Die Jahre der Erkenntnis, dem dritten Band seiner mehrfach preisgekrönten und in zahlreiche Sprachen übersetzten Kafka-Biografie. In seinem anschließenden Gespräch mit Vera Schneider vom Kulturforum ging es auch darum, Dora Diamant eine Stimme zu verleihen. Denn dank der Biografin Kathi Diamant (»Dora Diamant. Kafkas letzte Liebe«, deutsche Ausgabe 2013) sind uns heute auch Texte von Dora selbst zugänglich, in denen sie sich auf sehr persönliche Weise an Franz Kafka und ihre gemeinsame Zeit erinnert.
Die Episode entstand aus einer Kooperation des Kulturforums mit der Tourismus- und Kur-GmbH Graal-Müritz und der Bäderbibliothek Graal-Müritz. Der Mitschnitt wird ergänzt durch aktuelle Tipps aus der Hörbuch- und Podcastszene.
CREDITS
Lesung und Gesprächsgast: Reiner Stach
Konzept, Redaktion, Moderation und technische Umsetzung: Vera Schneider
Aufnahmeleitung in Graal-Müritz: Constantin Kühn
Musik: Jaspar Libuda