Forschung praktisch: Wie hängen Cannabiskonsum und Psychose zusammen?

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21-08-2024 • 8 Min.

In der Studie von Marta Di Forti et. al. (2019) wurden bestimmte Konsumgewohnheiten von Cannabis identifiziert, die besonders risikoreich für die Entstehung einer Psychose waren. Die Ausprägung dieser Konsumgewohnheiten wurde europaweit in der Bevölkerung gemessen, um sie anschließend mit der Psychose-Inzidenz in Beziehung zu setzen.

Die Forscher dieser Studie erhoben zwischen 2010 und 2015 Daten über das Psychoseauftreten sowie über die Konsumgewohnheiten zu Cannabis an 11 verschiedenen Standorten, darunter 10 europäische Städte. Verglichen wurden Menschen mit erstmaliger Psychose (18-64 J.) mit einer Kontrollgruppe von Personen, die nie an einer Psychose erkrankt waren.

Daten zu der Konzentration von THC in den verschiedenen verfügbaren Cannabissorten wurden der Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht und zusätzlich aus nationalen Datenbanken der jeweiligen Länder entnommen. Anschließend wurden alle Sorten anhand ihrer THC-Konzentration in 2 Gruppen unterteilt (niedrigpotentes Cannabis mit einem THC-Gehalt unter 10% und hochpotentes Cannabis mit einem THC-Gehalt ≥10%). Außerdem wurden weitere Konsumgewohnheiten wie die Häufigkeit des Konsums erhoben.

Statistische Berechnungen lieferten ein Maß dafür, wie stark eine bestimmte Konsumgewohnheit von Cannabis mit der Entstehung einer Psychose zusammenhängt. So wurden die risikoreichsten Konsumgewohnheiten berechnet. Außerdem wurden die sog. Population Attributable Fractions (kurz: PAF) berechnet. Diese geben an, welcher prozentuale Anteil am Auftreten einer Krankheit (hier: die erstmalige Psychose) auf den Risikofaktor (hier: die bestimmte Konsumgewohnheit) zurückzuführen ist. Für die Berechnung der PAF wird ein Kausalzusammenhang angenommen, der jedoch hypothetisch ist.

Zuletzt wurden Berechnungen zum Zusammenhang zwischen Konsumgewohnheiten und der Psychose-Inzidenz durchgeführt.

Ergebnisse:

Aus den 11 Standorten wurden Daten von 901 Patienten mit erstmaliger Psychose und Daten von 1237 Kontrollpersonen gewonnen. Betroffene hatten öfter zum Zeitpunkt der Befragung Cannabis konsumiert, sie konsumierten auch öfter mehr als einmal pro Woche, öfter jeden Tag und öfter hochpotenten Cannabis im Vergleich zu Kontrollpersonen.

Die Berechnungen ergaben, dass der tägliche Konsum und der Konsum von hochpotentem Cannabis (sowie deren Kombination: der tägliche Konsum von hochpotentem Cannabis) am risikoreichsten für die Entstehung einer Psychose waren. Das Risiko beim täglichen Konsum war 3,2-fach erhöht und beim Konsum von hochpotentem Cannabis 1,6-fach höher als bei abstinenten Personen. Der tägliche Konsum hochpotenter Sorten führte im Mittel zu einem etwa 4-fachen Risiko, an einer Psychose zu erkranken. Spezifisch für London stieg dieses Risiko um ca. das 5-fache und im Amsterdam um etwa das 9-fache an.

(Im Folgenden sind die Prozentualen Angaben gerundet.)

Die Berechnung der PAF ergab, dass 20% der neuen Psychoseerkrankungen auf den täglichen Cannabiskonsum zurückzuführen sind. Spezifisch für London lag dieser Wert bei 21%, in Amsterdam bei 44% und in Palermo bei 6%. Bezogen auf den Konsum von hochpotentem Cannabis ergaben die PAF in London, dass hier 30% und in Amsterdam 50% der neuen Psychosefälle auf diesen zurückzuführen sind. Umgekehrt bedeutet dies: Wenn in Amsterdam der hochpotente Cannabis nicht mehr verfügbar wäre, dann wären die Hälfte der neuen Psychoseerkrankungen nicht aufgetreten. Für diese Berechnungen musste jedoch, wie oben bereits erwähnt, ein Kausalzusammenhang angenommen werden.

Das wichtigste Ergebnis war, dass die Prävalenz der Konsumgewohnheiten in der Bevölkerung mit der Psychoseinzidenz korreliert. Die Standorte mit der größten Prävalenz beider Konsumgewohnheiten hatten auch die größte Psychose-Inzidenz und umgekehrt. Die Prävalenz der Konsumgewohnheit und die Psychose-Inzidenz verändern sich gemeinsam. Die größten Ausprägungen der Konsumgewohnheiten und Psychose-Inzidenzen waren in Amsterdam, London und Paris zu verzeichnen.

Schlussfolgerungen:

Marta Di Forti und ihr Team fordern, dem Cannabiskonsum eine erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen, da die Verfügbarkeit des hochpotenten Cannabis tendenziell zunimmt und dies Fragen bzw. Risiken für die öffentliche Gesundheit aufwirft.

Quelle:

Di Forti, M., Quattrone D., Freeman T.P., Tripoli G. et. Al. (2019). The contribution of cannabis use to variation in the incidence of psychotic disorder across Europe (EU-GEI): a multicentric case-control study. Lancet Psychiatry, 6(5), 427-436. https://doi.org/10.1016/S2215-0366(19)30048-3

00:00 Disclaimer 00:41 Einleitung 01:31 Forschungsziel der Studie 02:02 Was ist Inzidenz? 02:20 Einteilung von Cannabis 02:59 Beteiligte Personen 03:22 Unterschiede zwischen Betroffenen und Nicht-Betroffenen 03:46 Berechnung der risikoreichsten Konsumgewohnheiten 04:44 Der Zusammenhang von Konsumgewohnheit und Psychose-Inzidenz 05:38 Beispiele 06:25 Achtung: Kein Kausalzusammenhang! 06:51 Vermutung und Interpretation 07:20 Ausblick & Outro