"Was der Einzelne in seinem kleinsten Bereich tut, darauf kommt es an." Begegnungen mit dem Pianisten Jürgen Plich

Stichpunkt Magazin - »Podcast«

14-09-2024 • 33 Min.

Den oben vorangestellten Satz spricht Jürgen Plich nicht nur gegen Ende des nachfolgenden Interviews aus, er lebt ihn auch sicht- und hörbar, vor allem seit etwa vier Jahren. Er spielt Klaviermusik, produziert Videos davon und stellt sie in seinen Youtube-Kanal „Klavierspielkunst Musikvideos“. Aber dort finden sich nicht nur Musikbeiträge: In der Zeit des erwachenden und regierungsseits geförderten Denunziantentums sowie der daraus resultierenden Verunsicherung „machte er sich gerade“ und sprach Texte klassischer Literatur und Philosophie ein, z. B. ein Gedicht von Max Kegel „Der Denunziant“, Kurzgeschichten von Franz Kafka, Ausschnitte aus „Wilhelm Tell“ und dem „Faust“. Er interviewte fiktiv den  Philosophen Immanuel Kant und spießte – pointiert, aber nicht polemisch – einzelne Formulierungen auf, z. B. in dem Wortbeitrag „Kann der Staat Grundrechte 'verleihen'?“ Und ein Video mit Ausschnitten von Vorträgen Rudolf Steiners „ging viral“.

So versucht Jürgen Plich seinen eingangs erwähnten Satz zu erfüllen. In den Nachwehen der Auftrittsverbote suchte er neue Wirkmöglichkeiten – und fand sie vor allem in der Kooperation mit dem MOVIMENTO im Zentrum Münchens, in dem, wie der Name ja schon ausdrückt, etwas bewegt wird. Hier hat er sein „Klavier-Spiel-Museum“ eingerichtet, in dem ein halbes Dutzend historischer Klaviere und Flügel aus dem halben Jahrhundert zwischen 1860 und 1910 ausgestellt sind – und zwar nicht nur als Objekte zum Anschauen. Jürgen Plich spielt darauf, erklärt zu jedem die Besonderheit der Bauweise und zieht sogar die Mechanik heraus, damit man in das Innere schauen kann. Als Höhepunkt darf der Besucher auch darauf spielen – wenn er sich traut und seine Ehrfurcht davor überwinden kann.

Beim lokalen Sender „Radio München“ gestaltet Jürgen Plich die wöchentliche Sendereihe „Eine Stunde Klassik“ (die Sendungen sind ebenfalls auf Youtube eingestellt). Auch hier vermittelt er seine persönliche Sicht auf die Meisterwerke; überdies scheint er einen unerschöpflichen Fundus an besonderen, teils auch historischen Aufnahmen zu haben, der selbst „alte Hasen“ in Erstaunen versetzt. Und er lässt es sich nicht nehmen, bei dieser Gelegenheit aktuellen Auswüchsen in der Politik entgegenzutreten und zu verdeutlichen, dass die Musik stets eine andere, humanere, klügere Sprache spricht. Sendungen heißen zum Beispiel: „Mann und Weib und Weib und Mann“(1), „Von Indianern, Mohren und Zigeunern“ oder „Kulturelle Hexenjagd“. Auch  lässt er Kollegen zu Wort kommen, wie den genialen und viel zu früh verstorbenen Wagner-Erklärer Stefan Mickisch. Ihn stellt er in zwei Sendungen vor, in denen dieser Wagners Musikdrama „Die Meistersinger von Nürnberg“ brillant auf dem Klavier „erzählt“ und humorvoll kommentiert.

(1) eine Textzeile aus dem Duett „Bei Männern, welche Liebe fühlen“ von Pamina und Papageno aus dem Singspiel „Die Zauberflöte“ von Wolfgang Amadeus Mozart

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